Stellungnahme zum Haushaltsgesetz 2022) / Personaletat
Sehr geehrte Damen und Herren,
für die Gelegenheit zur Stellungnahme bedanken wir uns.
I.
Die Verwaltungsrichtervereinigung begrüßt zunächst ausdrücklich, dass die Anregung zum Personaletat 2021 aufgegriffen worden ist und die Stellen für die Informations- und Dokumentationsstelle Asyl geschaffen bzw. entfristet worden sind. Die Informations- und Dokumentationsstelle Asyl ist eine wichtige Unterstützung für die schnelle und qualitativ hochwertige Bearbeitung der Asylverfahren durch die Verwaltungsgerichte. In diesem Zusammenhang ist zu erinnern, dass die Verwaltungsgerichte weiter durch die Bearbeitung der Asylverfahren stark beansprucht sind. Gleichwohl gelingt es bislang, die Zahl der anhängigen Asyl- verfahren (Bestände) kontinuierlich zu reduzieren.
II.
Was die aktuelle Personalausstattung der Verwaltungsgerichte angeht, ist allerdings festzuhalten, dass zum 31. Dezember 2021 allein im richterlichen Bereich 40 kw- Vermerke realisiert werden müssen. Damit entfällt ein nicht unerheblicher Teil der Richterstellen, die zur Bewältigung des sprunghaften Anstiegs der Asylverfahren in den Jahren 2016 und 2017 geschaffen wurden. Gleichzeitig ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit – gleich aus mehreren Richtungen – besonderen, neuen Belastungen und Anforderungen ausgesetzt.
Es sollte deshalb jedenfalls ein Teil der 2021 entfallenden 40 Richterstellen zur Verfügung gestellt werden,
- um den besonderen, neu hinzugekommenen Belastungen der Verwaltungsgerichte Rechnung zu tragen und
- den kontinuierlichen und schnellen Abbau der Asylverfahren weiter sicher zu stellen.
Zur Erläuterung: Die Belastungssituation der Verwaltungsgerichte ist sehr volatil und weiter in besonderer Weise durch Belastungsspitzen geprägt. Auf folgende Punkte ist besonders hinzuweisen:
- Die Verwaltungsgerichte haben – neben der fortdauernden Belastung durch Asylverfahren – generell Eilanträge und Klagen im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen abzuarbeiten. Hierzu kann auf die Berichte und detaillierten Aufstellungen für die Mitglieder des Rechtsausschusses vom 16. November 2020 und vom 19. April 2021 verwiesen werden (Vorlage 17/4176 und Vorlage 17/5028).
- Eine besondere Belastung stellen aktuell Entschädigungsklagen wegen quarantänebedingter Verdienstausfälle (nach § 56 des Infektionsschutzge- setzes) dar. Diese Verfahren sind mit der Neufassung des Infektionsschutz- gesetzes seit November 2020 den Verwaltungsgerichten zugewiesen. Die Zahl der seitdem eingegangenen Entschädigungsklagen bewegt sich bei den einzelnen Verwaltungsgerichten im vierstelligen Bereich und stellt die betroffenen Gerichte vor erhebliche Herausforderungen. Diese Entwicklung zeichnet sich besonders seit Sommer 2021 ab. Sie konnte in den bisherigen haushalterischen Planungen für das Jahr 2022 noch nicht berücksichtigt werden. Ihr sollte noch für das Jahr 2022 Rechnung getragen werden, damit der kontinuierliche Bestandsabbau der asylrechtlichen Verfahren nicht gefährdet wird.
- Auch im Zusammenhang mit der Rückforderung sogenannter Coronahilfen für Kleinstunternehmer und Gastronomen zeichnet sich – nach Aufstellung des Haushalts – ab, dass in erheblichem Umfang Klagen zu erwarten sind. Presseberichten zufolge haben sich unter der Interessengemeinschaft NRW Soforthilfen (IG NRW Soforthilfe) bislang rund 8.000 Betroffene versammelt. Allein die IG NRW Soforthilfe hat ab November 2021 rund 2.000 Klagen angekündigt, die bei den Verwaltungsgerichten zu führen sein werden. Es ist zu erwarten, dass es hierbei nicht bleiben wird.
- Schließlich ist – nicht zuletzt wegen der geänderten Lage in Afghanistan – derzeit nicht absehbar, ob es zu einem erneuten Anstieg der Asylverfahren kommen wird. Grund hierfür können neue Migrationsbewegungen sein. Auch können vermehrt Folgeanträge bereits abgelehnter Antragsteller wegen der geänderten Sachlage in den Herkunftsländern (aktuell insbesondere Antragsteller aus Afghanistan) bei den Verwaltungsgerichten zu entscheiden sein.
Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber die erstinstanzlichen Zuständigkeiten des Oberverwaltungsgerichts zuletzt mehrfach ausgeweitet hat. Insbesondere sind Streitigkeiten über größere Windkraftanlagen künftig erstinstanzlich bei den Oberverwaltungsgerichten zu führen. Dies ist aus dem politischen Raum mit der Erwartung verbunden, die Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen. Das Ziel der Planungsbeschleunigung wird dauerhaft aber nur erreicht werden können, wenn das Oberverwaltungsgericht hierzu mit ausreichenden Stellen ausgestatten wird.
Um diesen Belastungen Rechnung zu tragen und um die Abarbeitung der Asylverfahren und die schnelle Entscheidung über Planungsverfahren nicht zu gefährden, sind jedenfalls ein Teil der 40 entfallenden Richterstellen der Verwaltungs- gerichtsbarkeit zu erhalten. Wir bitten den Landtag, dies bei seinen Beratungen zu berücksichtigen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Hollands