Stellungnahme der Vereinigung zu dem Gesetzentwurf zur Umsetzung des Rechtssatzvorbehalts bei dienstlichen Beurteilungen in der Justiz


Zur PDF-Version


Sehr geehrter Herr Dr. Pfeil,

sehr geehrte Damen und Herren,

zu dem oben genannten Gesetzentwurf nimmt die Verwaltungsrichtervereinigung NRW wie folgt Stellung:

I.

Mit dem Gesetzentwurf soll die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtssatzvorbehalt bei Beurteilungen umgesetzt werden (insbesondere: BVerwG, Urt. v. 07.07.2021, 2 C 2.21). Hierzu sieht der Gesetzentwurf im Kern Verordnungs- ermächtigungen vor, mit denen das Nähere zu Beurteilungen und zur Erprobung geregelt werden soll. Dass damit in der Folge die bisherigen Verwaltungsvorschriften (Beurteilungs-AV, Erprobungs-AV) - jedenfalls teilweise - durch eine Rechtsver- ordnung zu ersetzen sind, entspricht den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts. Soweit künftig eine Regelung durch Rechtsverordnung erfolgt, dürfte diese der bislang vorgesehenen Mitbestimmung durch die Richtervertretungen (§ 41 Absatz 1 Nummer 12 LRiStaG) allerdings entzogen sein (vgl. Stuttmann, NVwZ 2021, S. 1608, 1615). Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch auch klargestellt, dass weitere Einzelheiten der Beurteilung weiter durch Verwaltungsvorschriften und damit unter Mitbestimmung der Richtervertretungen geregelt werden können (BVerwG, Urt. v. 17.09.2020, 2 C 2.20, juris Rn. 18). Die bisherigen Verwaltungsvorschriften könnten danach - in eingeschränktem Umfang - weiter Bestand haben.

II.

Gegen die grundsätzliche Zielrichtung des Gesetzentwurfs, der die höchstrichterliche Rechtsprechung nachvollziehen soll, bestehen keine Bedenken. Die Verwaltungsrichtervereinigung NRW begrüßt darüber hinaus, dass durch die höchstrichterliche Rechtsprechung und durch den Gesetzentwurf der regierungstragenden Fraktionen eine Diskussion über eine Verbesserung des Beurteilungssystems angestoßen bzw. neu belebt wird. Unabhängig von der Frage, auf welcher Normebene die Beurteilung der Richterinnen und Richter künftig zu regeln ist (Gesetz, Verordnung, Verwaltungsvorschrift), erscheint eine Diskussion über inhaltliche Verbesserungen des Beurteilungssystems sinnvoll. Es wird davon ausgegangen, dass die Verbände und Richtervertretungen früh und eng in eine solche Diskussion eingebunden werden. Der vorliegende Entwurf gibt im Hinblick auf das Verfahren (unter III.) und den Inhalt (unter IV.) jedoch auch Anlass zur Kritik.

III.

Die Verwaltungsrichtervereinigung NRW erachtet es als problematisch, dass der Gesetzentwurf weitgehend von einer Diskussion über die inhaltliche Ausgestaltung des Beurteilungssystems abgekoppelt ist. Der hier vorgesehenen gesetzlichen Regelung sollte eine Diskussion mit den Verbänden und Richtervertretungen über Inhalt und Umsetzung eines künftigen Beurteilungssystems vorausgehen und dieser nicht nachfolgen. Nur wenn die wesentlichen Inhalte eines Beurteilungssystems insgesamt erkennbar sind, lässt sich angemessen bewerten, welche dieser Vorgaben „regierungsfest“ in einem parlamentarischen Gesetz festgelegt werden sollten, welche in einer durch das Ministerium der Justiz zu bestimmenden Verordnung und welche unter Mitbestimmung durch die Richtervertretungen weiter einer Verwaltungsvorschrift überlassen sind. Vor diesem Hintergrund wäre es klar vorzugswürdig gewesen, Gesetz- und Verordnungsentwurf gemeinsam zur Diskussion zu stellen. Darüber hinaus erscheint durch das vorliegende Verfahren eine ausreichende Beteiligung der Verbände nicht gewährleistet. Die Regelungen über die Beurteilungen in der Justiz gestalten die Bestenauslese und damit den Zugang zu Beförderungsämtern (Artikel 33 Absatz 2 GG). Sie entscheiden über das berufliche Fortkommen der Kolleginnen und Kollegen und zugleich über die Qualität der Justiz. In diesem für die Berufsverbände zentralen Bereich muss eine frühe und umfassende Beteiligung der Verbände gewährleistet sein. Dies gilt erst recht, soweit Beurteilungsregelungen nicht mehr der Mitbestimmung durch die Richtervertretungen unterliegen (vgl. oben). Eine solche umfassende Verbändebeteiligung hat vorliegend zu dem Gesetzentwurf nicht stattgefunden.

IV.

In der Sache ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnungsermächtigungen in § 14 Absatz 5 und Absatz 6 LRiStaG-E Fragen aufwerfen und ein klares gesetzgeberisches Regelungskonzept nicht vorgeben. Unabhängig von der hier nicht zu bewertenden Frage der verfassungsrechtlichen Bestimmtheit (Artikel 70 LV NRW, Artikel 80 Absatz 1 GG) lässt der Gesetzentwurf nicht in der wünschenswerten Klarheit erkennen, welche Regelungsinhalte künftig

  • in einer Rechtsverordnung zu regeln sein sollen und damit einer Mitbestimmung durch die Richtervertretungen entzogen sein dürften oder
  • weiter in einer die Rechtsverordnung ergänzenden (nicht ersetzenden) Verwaltungsvorschrift ihren Platz haben.

Insbesondere ist nach § 14 Absatz 5 LRiStaG-E nicht klar zu erkennen, ob für Beurteilungen in der Justiz eine relativ „schlanke“ Verordnungsregelung wie in § 8 LVO angestrebt wird oder ob eine Verordnung ähnlich detaillierte Regelungen wie die Artikel 54 ff. BayLlbG enthalten soll. Unklar bleibt etwa, inwieweit die Bestimmung der Einzelmerkmale von Eignung, Befähigung und Leistung, die Vorgabe textlicher Beurteilungen oder die Vorgabe eines Punktesystems oder Anforderungsprofile Gegenstand einer Rechtsverordnung sein sollen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass § 14 Absatz 5 LRiStaG-E das in dem bisherigen Absatz 5 genannte Beurteilungsverfahren („Einzelheiten des Beurteilungsverfahrens“) nicht mehr erwähnt und somit unklar bleibt, ob dieses Gegenstand der Verordnung sein soll oder weiter als Verwaltungsvorschrift zu regeln ist. Für die Erprobungsverordnung in § 14 Absatz 6 LRiStaG-E dürften ähnliche Unklarheiten bestehen. Dabei kommt als weitere Frage hinzu, ob die in Absatz 6 Satz 1 ausdrücklich genannten Bereiche (Bestimmung der erprobungsgeeigneten Dienst- stellen, Inhalt der Beurteilung) nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wirklich in vollem Umfang durch Rechtsverordnung zu regeln sind. Aus Sicht der Verwaltungsrichtervereinigung NRW wäre es daher vorzugswürdig, wenn die Verordnungsermächtigungen klarer eingegrenzt formuliert würden. Dabei dürfte eine enumerative Aufzählung sinnvoll sein. Der Gesetzgeber sollte dabei berücksichtigen, dass nach den Vorgaben des Landesrichter- und Staatsanwältegesetzes Fragen der Beurteilung bislang der Mitbestimmung durch die Richtervertretungen unterliegen und - soweit wie rechtlich möglich - auch weiter unterliegen sollten.

V.

Zusammenfassend nimmt die Verwaltungsrichtervereinigung NRW wie folgt Stellung:

  • Der Gesetzentwurf und der Entwurf einer Rechtsverordnung sollten gemeinsam zur Diskussion gestellt werden. Der vorliegende Gesetzentwurf darf nicht von der inhaltlichen Diskussion abgekoppelt werden.
  • Die Verordnungsermächtigungen sollten genauer und eingrenzender formuliert werden.
  • Soweit die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hierfür Raum gibt, sollte eine Mitbestimmung der Richtervertretungen weiter angestrebt werden.
  • Die Richterverbände sind bei der inhaltlichen Diskussion über ein Beurteilungssystem frühzeitig und eng zu beteiligen.

Mit freundlichen Grüßen

 

Martin Hollands

uncode-pla­ce­hol­der