Umsetzung des Rechtssatzvorbehalts bei dienstlichen Beurteilungen in der Justiz Verordnungs- und Richtlinienentwürfe zu Beurteilung und Erprobung

Schreiben vom 24. August 2022 (2000 – Z. 525)


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Sehr geehr­ter Herr Holtgrewe,
sehr geehr­te Damen und Herren,

die Ver­wal­tungs­rich­ter­ver­ei­ni­gung bedankt sich für die Gele­gen­heit zur Stel­lung­nah­me. Zu den vor­lie­gen­den Ent­wür­fen der Ver­ord­nun­gen und Richt­li­ni­en wird wie folgt Stel­lung genommen:

Eine Viel­zahl der mit den Ent­wür­fen vor­ge­se­he­nen Ände­run­gen ist im Grund­satz zu begrü­ßen. Mit die­sen wer­den ver­schie­de­ne, in der Stel­lung­nah­me des Ver­bands vom 25. Mai 2022 befür­wor­te­te oder gefor­der­te Ände­run­gen umge­setzt. Dies betrifft ins­be­son­de­re den Über­gang zu einem Punk­te­sys­tem mit text­li­chen Bei­trä­gen. Aus Sicht der Ver­wal­tungs­rich­ter­ver­ei­ni­gung ist dies ein Schritt in die rich­ti­ge Richtung.

Aller­dings rei­chen die Ände­run­gen nicht durch­ge­hend weit genug. Der gesetz­li­che Auf­trag zum Erlass einer Beur­tei­lungs- und einer Erpro­bungs­ver­ord­nung bis zum Jah­res­en­de bie­tet Anlass und Chan­ce, das Beur­tei­lungs­sys­tem – im Inter­es­se der beur­teil­ten Rich­te­rin­nen und Rich­ter – kla­rer und trans­pa­ren­ter als bis­lang zu gestal­ten. Glei­ches gilt für die Rege­lung der Erpro­bung. Die­se Chan­ce bleibt mit den vor­ge­leg­ten Ent­wür­fen jeden­falls teil­wei­se unge­nutzt. Hier sind wei­te­re Ände­run­gen angezeigt.

Die Stel­lung­nah­me beschränkt sich im Fol­gen­den auf die aus Sicht der Ver­wal­tungs­rich­ter­ver­ei­ni­gung wesent­li­chen Punkte:

1. Abkehr vom Grundsatz der Anlassbeurteilungen (zu § 1 Absatz 3, § 3 Absatz 1 BeurtVO JM‑E)

Der Ent­wurf der Beur­tei­lungs­ver­ord­nung hält an dem bestehen­den Neben­ein­an­der von Rege­lund Anlass­be­ur­tei­lun­gen fest. Ins­be­son­de­re ist wie bis­lang bei jeder Bewer­bung auf ein Beför­de­rungs­amt eine Anlass­be­ur­tei­lung zu erstel­len (§ 3 Absatz 1 Beurt­VO JM‑E). Dies ist zu kri­ti­sie­ren. Die in der Recht­spre­chung zutref­fend erho­be­nen grund­sätz­li­chen Beden­ken gegen die Anlass­be­ur­tei­lung bei einer Bewer­bung (BVerwG, Beschl. v. 02.07.2020, 2 A 6/19, juris Rn. 11) wer­den nicht auf­ge­grif­fen. Damit bleibt es bei einem Sys­tem, das beson­ders anfäl­lig dafür ist, dass in kon­kre­ten Bewer­bungs- und Kon­kur­renz­si­tua­tio­nen die Anlass­be­ur­tei­lung „per Hand­steue­rung“ auf eine bereits vor­ge­fass­te Aus­wahl­ent­schei­dung zuge­schnit­ten wird. Die Beur­tei­lung ver­liert damit ihre die Aus­wahl steu­ern­de Wirkung.

Der Ver­ord­nungs­ge­ber kann und soll­te daher die Chan­ce nut­zen, das bestehen­de Sys­tem zu refor­mie­ren und den Beden­ken der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung stär­ker Rech­nung zu tragen:

Von Anlass­be­ur­tei­lun­gen bei Bewer­bun­gen auf ein Beför­de­rungs­amt (§ 3 Absatz 1 Beurt­VO JM‑E) soll­te – abge­se­hen von den in der Recht­spre­chung aner­kann­ten Aus­nah­men – verzich­tet wer­den. Grund­la­ge einer Beför­de­rungs­ent­schei­dung soll­te regel­mä­ßig nur die Regel­be­ur­tei­lung sein. Als sol­che hat die­se eine Aus­sa­ge zur Eig­nung in dem bereits aus­ge­üb­ten Sta­tus­amt und eine Eig­nungs­pro­gno­se für die nächst­hö­he­ren Beförderungsämter
zu ent­hal­ten. Bei der Beur­tei­lung einer Kol­le­gin oder eines Kol­le­gen im R 1‑Amt soll­te die Regel­be­ur­tei­lung also eine Eig­nungs­pro­gno­se jeden­falls für die nächst­hö­he­ren Recht­spre­chungs­äm­ter (ins­be­son­de­re Vorsitzende/r Richter/in am Ver­wal­tungs­ge­richt und Richter/in am Ober­ver­wal­tungs­ge­richt) ent­hal­ten. Die Ein­schät­zung, dass eine Erwei­te­rung der Regel­be­ur­tei­lun­gen um Eig­nungs­pro­gno­sen nicht leist­bar wäre (vgl. Ver­ord­nungs­be­grün­dung zu § 3 Absatz 1 Beurt­VO JM‑E), wird nicht geteilt. Dies dürf­te jeden­falls dann nicht zutref­fen, wenn die Eig­nungs­pro­gno­se auf die nächst­hö­he­ren Recht­spre­chungs­äm­ter beschränkt wird. Für Ämter mit Lei­tungs­funk­tio­nen (§ 5 Absatz 2 Satz 2 Beurt­VO JM‑E) wäre gege­be­nen­falls denk­bar, bei dem bis­he­ri­gen Sys­tem der Anlass­be­ur­tei­lun­gen zu blei­ben, damit nicht mit jeder Regel­be­ur­tei­lung eine Eig­nungs­pro­gno­se für her­aus­ge­ho­be­ne Lei­tungs­äm­ter erstellt wer­den muss.

Soweit dar­über hin­aus in § 3 Absatz 2 Beurt­VO JM‑E wie bis­lang Anlass­be­ur­tei­lun­gen unab­hän­gig von kon­kret anste­hen­den Beför­de­rungs- und Aus­wahl­ent­schei­dun­gen vor­ge­se­hen sind, bestehen die oben genann­ten Beden­ken nicht oder jeden­falls nicht in glei­cher Wei­se. Der nun vor­ge­se­he­ne Weg­fall einer Anlass­be­ur­tei­lung bei mehr als drei­mo­na­ti­ger Eltern­zeit (der­zeit noch Zif­fer III. 2. b) Beur­tAV JM) erscheint ver­tret­bar. Für Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen in Eltern­zeit soll­te aller­dings erwo­gen wer­den, die Mög­lich­keit zu eröff­nen, eine Anlass­be­ur­tei­lung bei einer mehr als drei Mona­te dau­ern­den Abwe­sen­heit – auf Antrag – zu erhal­ten. Auch wenn die Regel­be­ur­tei­lung in der Eltern­zeit nicht ent­fällt (Zif­fer 3.1 Beur­tAV JM‑E) und eine Nach­zeich­nung erfolgt (§ 9 Absatz 1 i. V. m. § 51 Absatz 1 LVO), kann im Ein­zel­fall – etwa bei einem abseh­ba­ren Wech­sel des Beur­tei­len­den – ein berech­tig­tes Inter­es­se der Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen bestehen, den Leis­tungs­stand vor der Eltern­zeit festzuhalten.

2. „Absenkung“ bzw. Absinken nach Beförderung (zu § 4 Absatz 2 BeurtVO JM‑E)

Durch § 4 Absatz 2 Beurt­VO JM‑E (i. V. m. Zif­fer 4.2 Beur­tAV JM‑E) wird die recht­li­che Grund­la­ge für das – regel­mä­ßi­ge – Absen­ken nach einer Beför­de­rung geschaf­fen. Dies wird im Grund­satz begrüßt, da hier­mit einer Noten­ver­dich­tung ent­ge­gen­ge­wirkt wird. Die nähe­ren Vor­ga­ben hier­für soll­ten durch die Beur­tAV JM, jeden­falls aber durch die Maß­stab­kon­fe­ren­zen so kon­kret wie recht­lich mög­lich fest­ge­legt wer­den. Als Regel soll­te die Absen­kung um eine gan­ze Noten­stu­fe (drei Punk­te) ins Auge gefasst wer­den (Grund­satz: Eine Besol­dungs­stu­fe ent­spricht einer Noten­stu­fe). Die bis­lang teil­wei­se prak­ti­zier­te Absen­kung um einen Punkt erscheint nicht aus­rei­chend, um eine Noten­ver­dich­tung wirk­sam zu ver­mei­den. Für die nach bis­he­ri­gem Recht beur­teil­ten Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen erscheint bei einer durch­ge­hen­den Absen­kung eine Über­lei­tungs­vor­schrift erfor­der­lich. Soweit in den Hin­wei­sen zu Zif­fer 4.2 Beurt­VA JM‑E in der dor­ti­gen Mus­ter­for­mu­lie­rung eine Über­gangs­re­ge­lung vor­ge­schla­gen wird, soll­te geprüft wer­den, die­se bereits in der Beurt­VO JM‑E (in Teil 4) oder der Beur­tAV JM‑E (in Zif­fer 10) ver­bind­lich vorzugeben. 

3. Beurteilungsmerkmale: Klare Einteilung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (zu § 5 BeurtVO JM‑E)

Die Ver­wal­tungs­rich­ter­ver­ei­ni­gung begrüßt, dass den Haupt­merk­ma­len der Beur­tei­lung nun ver­bind­li­che und gerichts­bar­keits­über­grei­fen­de Unter­merk­ma­le zuge­ord­net wer­den (§ 5 Absatz 1 und 2 Beurt­VO JM‑E). Dabei wäre es jedoch klar vor­zug­wür­dig, als Haupt­merk­ma­le unmit­tel­bar an die gesetz­li­che Unter­schei­dung von Eig­nung, Befä­hi­gung und fach­li­cher Leis­tung anzu­knüp­fen und nicht an die gewis­ser­ma­ßen „quer“ hier­zu ver­lau­fen­de Ein­tei­lung in bestimm­te „Qua­li­fi­ka­tio­nen“. Inso­weit ist auf die mit der Stel­lung­nah­me vom 25. Mai 2022 bereits geäu­ßer­ten Beden­ken noch­mals hin­zu­wei­sen. Die vor­ge­se­he­ne Ein­tei­lung nach „Kom­pe­ten­zen“ bzw. nun nach „Qua­li­fi­ka­tio­nen“ bil­det das zen­tra­le und beson­ders stark zu gewich­ten­de Beur­tei­lungs­kri­te­ri­um der fach­li­chen Leis­tung (mit den Unter­merk­ma­len Arbeits­ein­satz, Arbeits­er­folg, Arbeits­gü­te) bereits sprach­lich, aber teil­wei­se auch in der Sache nicht hin­rei­chend deut­lich genug ab. Die der­zeit vor­ge­se­he­ne Unter­tei­lung der Haupt­merk­ma­le (Qua­li­fi­ka­tio­nen) führt zudem auch bei der erfor­der­li­chen Gewich­tung (§ 6 Absatz 1 Satz 3 Beurt­VO JM‑E, vgl. unter 4.) zu wei­te­ren Schwie­rig­kei­ten: Da sich die Erfas­sung der für die Beur­tei­lung zen­tra­len fach­li­chen Leis­tung über die vier Haupt­merk­ma­le (Qua­li­fi­ka­tio­nen) in nicht immer klar erkenn­ba­rer Wei­se „ver­streut“, erscheint eine spä­te­re Gewich­tung der Haupt­merk­ma­le nur schwer umsetz­bar. Die Beurt­VO JM soll­te daher anstel­le der bis­he­ri­gen Haupt­merk­ma­le zwi­schen fach­li­cher Leis­tung, Befä­hi­gung und Eig­nung (als den vor­ge­ge­be­nen Haupt­merk­ma­len) unter­schei­den und das Merk­mal der Leis­tung ange­mes­sen stark gewichten.

4. Bewertung mit Zwischennoten (zu § 6 Absatz 1 Satz 1 und 2 BeurtVO JM‑E)

Die in § 6 Absatz 1 Satz 1 Beurt­VO JM‑E vor­ge­se­he­ne Bewer­tung der Haupt­merk­ma­le in text­li­cher Form und mit einer Zwi­schen­no­te wird begrüßt. Für die Anwen­dung in der Pra­xis soll­te aller­dings das Ver­hält­nis von Zwi­schen­no­te und text­li­chem Bei­trag noch kla­rer gere­gelt wer­den. Mit Blick auf die neue Rege­lung in Satz 1 soll­te bei gleich bewer­te­ten Bewer­be­rin­nen und Bewer­bern für die wei­te­re Aus­schär­fung künf­tig vor­ran­gig auf die Zwi­schen­no­ten abge­stellt wer­den und – erst wenn die­se Zwi­schen­no­ten eben­falls gleich sind – der text­li­che Bei­trag her­an­ge­zo­gen wer­den. Nach der Ver­ord­nungs­be­grün­dung sol­len die Zwi­schen­be­wer­tun­gen (Zwi­schen­no­ten) aller­dings nur „zu einer bes­se­ren und trans­pa­ren­te­ren ‚Aus­schärf­bar­keit‘ der text­li­chen Beur­tei­lung bei­tra­gen“ (Ver­ord­nungs­be­grün­dung zu § 6 Absatz 1 Satz 1 Beurt­VO JM‑E). Dies erscheint unklar und ver­mit­telt den Ein­druck, dass die Zwi­schen­no­ten gegen­über dem Text­bei­trag nicht vor­ran­gig sind. Dies dürf­te mit der Rege­lung nicht beab­sich­tigt sein. Hier soll­te im Norm­text oder in der Ver­ord­nungs­be­grün­dung noch deut­li­cher vor­ge­ge­ben wer­den, dass auf die Beur­tei­lung im Text­bei­trag erst bei glei­chen Zwi­schen­no­ten zurück­ge­grif­fen wird.

Der Ent­wurf sieht die Ver­ga­be von Punkt­wer­ten nur für die Haupt­merk­ma­le vor. Jeden­falls per­spek­ti­visch – ggf. schon im Rah­men der vor­ge­se­he­nen Eva­lu­ie­rung nach drei Jah­ren – soll­te geprüft wer­den, ob auch die Unter­merk­ma­le (Zif­fer 5 Beur­tAV JM‑E) künf­tig mit Punkt­wer­ten ver­se­hen wer­den und auch inso­weit eine Gewich­tung vor­ge­ge­ben wird. Dies könn­te im Inter­es­se der beur­teil­ten Rich­te­rin­nen und Rich­ter grund­sätz­lich die Trans­pa­renz der Beur­tei­lung und einer etwa­igen Aus­wahl wei­ter erhö­hen. Hier soll­ten aller­dings zunächst die Erfah­run­gen aus der Pra­xis und die Akzep­tanz in der Rich­ter­schaft eva­lu­iert werden.

5. Klare, einheitliche und transparente Maßstäbe für die Gewichtung (zu § 6 Absatz 1 Satz 3 BeurtVO JM‑E)

Nach § 6 Absatz 1 Satz 3 Beurt­VO JM‑E ist für das Gesamt­ur­teil eine Gewich­tung der vier Zwi­schen­be­wer­tun­gen vor­zu­neh­men. Eine kla­re, ein­heit­li­che und trans­pa­ren­te Gewich­tung der Zwi­schen­be­wer­tun­gen ist inso­weit für ver­gleich­ba­re Beur­tei­lun­gen unab­ding­bar. Ohne ein­heit­li­che Maß­stä­be blie­be es der beur­tei­len­den Per­son über­las­sen, wie die Merk­ma­le gewich­tet wer­den. Ins­be­son­de­re bei einem hete­ro­ge­nen Leis­tungs­bild in den vier Haupt­merk­ma­len kann es dabei zu erheb­lich abwei­chen­den Gesamt­ur­tei­len kom­men. Die Ent­wür­fe der Beur­tei­lungs­ver­ord­nung und ‑richt­li­nie sehen vor, dass bei der Gewich­tung ein­heit­li­che Maß­stä­be an- und die­se durch Maß­stab­kon­fe­ren­zen fest­zu­le­gen sind (Zif­fer 5.5 Beur­tAV JM‑E). Dies ist zwar im Grund­satz zu befür­wor­ten. Die Gewich­tung der durch die Beurt­VO JM und Beur­tAV JM ver­bind­lich defi­nier­ten Haupt­merk­ma­le dürf­te sich jedoch mit Blick auf das jewei­li­ge Sta­tus­amt bereits abs­trakt und damit unmit­tel­bar in der Beur­tAV JM oder der Beurt­VO JM vor­ge­ben las­sen. Um eine ein­heit­li­che (und auch gerichts­bar­keits­über­grei­fen­de) Gewich­tung zu gewähr­leis­ten, soll­te die­se daher in der Beur­tAV JM oder der Beurt­VO JM vor­ge­ge­ben wer­den. Dies könn­te dadurch gesche­hen, dass für jedes Haupt­merk­mal ein Gewich­tungs­fak­tor vor­ge­ge­ben wird. Dabei dürf­te es erfor­der­lich sein, für die Gewich­tungs­fak­to­ren zwi­schen den ver­schie­de­nen recht­spre­chen­den Ämtern und ins­be­son­de­re den Ämtern mit Lei­tungs­funk­tio­nen (ins­bes. § 5 Absatz 2 Beurt­VO JM‑E) zu unterscheiden.

6. Anforderungsprofile und Ausformungen (zu § 8 BeurtVO JM‑E, Anlage zu Ziffer 6 BeurtAV JM‑E)

Mit den Ent­wür­fen wird an den Anfor­de­rungs­pro­fi­len im Grund­satz fest­ge­hal­ten. Zu begrü­ßen ist, dass für das Ein­gangs­amt (R 1) nun ein ein­heit­li­ches Anfor­de­rungs­pro­fil vor­ge­se­hen wird. Dies ist im Sin­ne einer bes­se­ren, auch gerichts­bar­keits­über­grei­fen­den Ver­gleich­bar­keit zu befür­wor­ten. Es ist aller­dings nicht klar ersicht­lich, war­um für die Beför­de­rungs­äm­ter nicht eben­falls ein­heit­li­che Anfor­de­rungs­pro­fi­le vor­ge­se­hen wer­den. Jeden­falls für die Beför­de­rungs­äm­ter der recht­spre­chen­den Tätig­keit (Vorsitzende/r Richter/in der Ein­gangs­in­stanz; Richter/in an einem Ober­ge­richt; Vorsitzende/r Richter/in an einem Ober­ge­richt) dürf­te eine Ver­ein­heit­li­chung eben­falls sinn­voll und mög­lich sein.

Soweit in den Anfor­de­rungs­pro­fi­len den Unter­merk­ma­len unver­bind­li­che Aus­for­mun­gen als Klam­mer­zu­sät­ze hin­zu­ge­fügt wer­den (§ 5 Absatz 3 Beurt­VO JM‑E; Zif­fer 5.3 Beur­tAV JM‑E) soll­ten die­se jeden­falls per­spek­ti­visch als Kon­kre­ti­sie­run­gen der Unter­merk­ma­le gefasst und in der Beur­tAV JM fest­ge­legt wer­den. In der Sache dürf­te es sich bei den Aus­for­mun­gen letzt­lich um wei­te­re (regel­bei­spiel­haf­te) Detail­kri­te­ri­en handeln.

Zu bedau­ern ist in die­sem Zusam­men­hang, dass das Enga­ge­ment von Rich­te­rin­nen und Rich­tern in Rich­ter­ver­tre­tun­gen und ggf. auch die Tätig­keit in den Berufs­ver­bän­den in den Unter­merk­ma­len oder den Aus­for­mun­gen nicht aus­drück­lich erwähnt wird. Ins­be­son­de­re die Nomi­nie­rung für und die Tätig­keit in den Rich­ter­ver­tre­tun­gen kön­nen und soll­ten als Teil der sozia­len Qua­li­fi­ka­ti­on (sowohl der Team- wie auch der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit) zu berück­sich­ti­gen sein. Dies soll­te in den Aus­for­mun­gen aus­drück­lich erwähnt werden.

Soweit für Ämter mit Lei­tungs­funk­tio­nen (Teil 1, Abschnitt D.5) das Unter­merk­mal „inter­kul­tu­rel­le Kom­pe­tenz und Diver­si­täts­kom­pe­tenz“ ein­ge­führt wird, ist zunächst dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die gefor­der­te inter­kul­tu­rel­le Kom­pe­tenz nicht auf Lei­tungs­äm­ter beschränkt sein dürf­te, son­dern gera­de auch in Recht­spre­chungs­äm­tern und dort sogar in beson­de­rem Maße (z. B. bei Ver­fah­ren im Auf­ent­halts- und Asyl­recht) rele­vant ist. Dem wird durch die Aus­for­mun­gen des Basis­pro­fils (Ein­gangs­amt) unter II. 1. zwar Rech­nung getra­gen. Es dürf­te sich aber anbie­ten, den Begriff der „inter­kul­tu­rel­len Kom­pe­tenz“ jeweils in bei­den Fäl­len (bei Lei­tungs- und Recht­spre­chungs­äm­tern) zu ver­wen­den. Zu dem dane­ben neu auf­ge­nom­me­nen Kri­te­ri­um der Diver­si­täts­kom­pe­tenz für Lei­tungs­funk­tio­nen soll­te in geeig­ne­ter Wei­se klar­ge­stellt wer­den, dass das in den Aus­for­mun­gen genann­te „diver­si­täts­be­wuss­te“ und „kul­tur­sen­si­ble“ Ver­hal­ten das all­täg­li­che Füh­rungs- und Lei­tungs­ver­hal­ten anspricht. Die Per­so­nal­aus­wahl, die einen wesent­li­chen Teil der Lei­tungs­tä­tig­keit dar­stellt, hat dage­gen selbst­ver­ständ­lich allei­ne nach Eig­nung, Befä­hi­gung und fach­li­cher Leis­tung zu erfol­gen (Arti­kel 33 Absatz 2 GG).

7. Beurteilungsformular (Anlage zur BeurtAV JM‑E)

Im Inter­es­se einer inhalt­lich und for­mal ein­heit­li­chen Beur­tei­lungs­wei­se wird die vor­ge­se­he­ne Ver­wen­dung eines Beur­tei­lungs­for­mu­lars unter­stützt. Da die ver­hal­tens­steu­ern­de Wir­kung eines sol­chen For­mu­lars nicht zu unter­schät­zen ist, soll­te die­ses alle ver­bind­li­chen Beur­tei­lungs­merk­ma­le (Haupt- und Unter­merk­ma­le) aus­wei­sen. In redak­tio­nel­ler Hin­sicht wird inso­weit dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sich die Unter­merk­ma­le nach Zif­fer 5 Beur­tAV JM‑E und die Auf­zäh­lung im Beur­tei­lungs­for­mu­lar noch nicht voll­stän­dig decken (z. B. nur Nen­nung der „Aus­bil­dungs­kom­pe­tenz“ und nicht der „Aus­bil­dungs- und Prü­fungs­kom­pe­tenz“). Dies dürf­te noch anzu­pas­sen sein.

8. Berechnung der Bewährungs- und Verwendungszeiten bei Teilzeit und Freistellung (zu § 8 Absatz 3 Satz 2 BeurtVO JM‑E und § 5 Satz 4 ErprobVO JM‑E)

Die Ent­wür­fe sehen für die Berech­nung etwa­iger Bewäh­rungs- und Ver­wen­dungs­zei­ten bis zu einer Teil­zeit­be­schäf­ti­gung von min­des­tens der Hälf­te der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit die vol­le Anrech­nung vor. Beträgt die Teil­zeit weni­ger als die Hälf­te der regel­mä­ßi­gen Arbeits­zeit, fin­det nur eine antei­li­ge Berück­sich­ti­gung statt. Für Frei­stel­lun­gen ins­be­son­de­re bei Tätig­kei­ten in Rich­ter­ver­tre­tun­gen oder der Jus­tiz­ver­wal­tung soll dies ent­spre­chend gel­ten. Die prak­ti­sche Rele­vanz der Vor­schrift kann aus Ver­bands­sicht der­zeit nicht abschlie­ßend beur­teilt wer­den. Es dürf­te aller­dings – neben recht­li­chen Fra­gen der Gleich­be­hand­lung – zu berück­sich­ti­gen sein, dass die Anrech­nungs­re­ge­lung bei hier­von erfass­ten Rich­te­rin­nen und Rich­tern in Teil­zeit zu einem nicht wün­schens­wer­ten Rück­gang des Inter­es­ses an Ämtern in den Rich­ter­ver­tre­tun­gen oder der Jus­tiz­ver­wal­tung füh­ren kann. Die Rege­lung soll­te daher noch­mals dar­auf­hin geprüft wer­den, dass mit die­ser kei­ne Fehl­an­rei­ze gesetzt werden.

9. Maßstabkonferenzen (Ziffer 4.1 BeurtAV JM‑E)

Der Ent­wurf sieht die Ein­füh­rung von Maß­stab­kon­fe­ren­zen zur wei­te­ren Ver­ein­heit­li­chung der Bewer­tungs­maß­stä­be vor. Dies ist grund­sätz­lich zu begrü­ßen. Ob damit die erwünsch­te Ver­ein­heit­li­chung gelingt, wird in der Pra­xis zu beob­ach­ten sein. Wie oben aus­ge­führt, soll­te jeden­falls die abs­trak­te Gewich­tung der Haupt­merk­ma­le aber bereits in der Beur­tAV JM‑E bzw. der Beurt­VO JM‑E bestimmt werden.

Dar­über hin­aus ist eine umfas­sen­de Betei­li­gung der Rich­ter­ver­tre­tun­gen zu gewähr­leis­ten. Dem­entspre­chend soll­te in Zif­fer 4.1 Beur­tAV JM‑E die Hin­zu­zie­hung eines Mit­glieds der Rich­ter­ver­tre­tung nicht nur fakul­ta­tiv, son­dern stets obli­ga­to­risch sein.

10. Durchführung der Erprobung (zur ErprobVO JM‑E und ErprobAV JM‑E insgesamt)

Die Erprob­VO JM‑E und Erpro­bAV JM‑E sehen bis­lang kei­ne struk­tu­rel­len bzw. grund­le­gen­den Ände­run­gen des bestehen­den Erpro­bungs­sys­tems vor. Hier hät­te der gesetz­lich gefor­der­te Erlass der Erprob­VO JM‑E die Chan­ce gebo­ten, auch grund­sätz­li­che Ände­run­gen zu dis­ku­tie­ren und umzu­set­zen. Dies betrifft aus Sicht der Ver­wal­tungs­rich­ter­ver­ei­ni­gung weni­ger das Erpro­bungs­er­for­der­nis als sol­ches, son­dern vor allem die Stel­lung der Erpro­bungs­rich­te­rin­nen und ‑rich­ter. Die Ver­wal­tungs­rich­ter­ver­ei­ni­gung begrüßt daher ins­be­son­de­re den Vor­schlag des Haupt­rich­ter­ra­tes der Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit, einen for­mal näher aus­ge­stal­te­ten und geschütz­ten Rah­men für ein Feed­back der Erprob­ten zu schaf­fen. Das Drei-Monats-Gespräch nach Zif­fer 4.1 Erpro­bAV JM‑E erscheint hier­für wenig geeig­net. Erwä­gens­wert ist auch eine aus­drück­li­che Klar­stel­lung, dass den Erpro­bungs­rich­te­rin­nen und ‑rich­tern ein nach Bestand und Struk­tur durch­schnitt­li­ches Dezer­nat zur Bear­bei­tung zuge­wie­sen wird. Soweit sol­che und ande­re Ände­run­gen ange­sichts des engen Zeit­rah­mens nicht mehr umge­setzt wer­den kön­nen, soll­te bei der anste­hen­den Eva­lu­ie­rung und wei­te­ren Dis­kus­si­on ein beson­de­res Augen­merk auf Anpas­sun­gen im Erpro­bungs­sys­tem gelegt werden.

11. Erprobungsstellen und Erprobungsdauer (zu §§ 3, 4 ErprobVO JM‑E, Ziffer 1 ErprobAV JM‑E)

Die Bestim­mung der Erpro­bungs­stel­len und des Erpro­bungs­zeit­raums erscheint grund­sätz­lich sach­ge­recht. Die nun auch in der Ver­ord­nung vor­ge­se­he­ne Mög­lich­keit der Erpro­bung in Teil­zeit (jetzt § 4 Absatz 2 Erprob­VO JM‑E) wird aus­drück­lich unter­stützt. Nicht erfor­der­lich erscheint dage­gen die recht­li­che Vor­ga­be einer Gesamt­ab­ord­nungs­dau­er von drei Jah­ren bei Erpro­bun­gen außer­halb der Recht­spre­chung des Lan­des (der­zeit Zif­fer 1.3 Erpro­bAV JM‑E). Die Erpro­bungs­ver­ord­nung und ‑richt­li­nie soll­ten inso­weit allei­ne die Erpro­bungs­dau­er (zwei Jah­re) bestim­men, aber kei­ne Soll-Maß­ga­ben für die Gesamt­ab­ord­nungs­dau­er enthalten.

12. Beurteilungsverfahren (zu Ziffer 8 BeurtAV JM‑E)

Hin­sicht­lich des Beur­tei­lungs­ver­fah­rens wird nun­mehr in der Beur­tAV JM‑E weit­ge­hend auf § 14 Absatz 3 und 4 LRiS­taG ver­wie­sen. Inso­weit wird noch­mals auf die Stel­lung­nah­me der Ver­ei­ni­gung vom 25. Mai 2022 hin­ge­wie­sen. Im Inter­es­se der Rich­te­rin­nen und Rich­ter und für eine bes­se­re Akzep­tanz der Beur­tei­lun­gen dürf­te es sinn­voll sein, die Mög­lich­keit ein­zu­räu­men, früh­zei­tig auf Wunsch der Rich­te­rin­nen und Rich­ter ein ori­en­tie­ren­des Beur­tei­lungs­ge­spräch zu füh­ren. Dies soll­te als Mög­lich­keit in der Beur­tAV JM‑E bzw. der Beurt­VO JM‑E aus­drück­lich nor­miert werden.

13. Zeitnahe Evaluierung (zu § 12 BeurtVO JM‑E, § 7 ErprobVO JM‑E)

Zu begrü­ßen ist, dass eine zeit­na­he Eva­lu­ie­rung der Beurt­VO JM und Erprob­VO JM vor­ge­se­hen ist. Es soll­te ins­be­son­de­re eva­lu­iert wer­den, ob die mit den Rege­lun­gen ange­streb­te grö­ße­re Trans­pa­renz und Ver­ein­heit­li­chung erreicht wor­den ist. Auch soll­te mit der Eva­lu­ie­rung geprüft wer­den, ob und wie sich das Sys­tem einer Punk­te­be­wer­tung bewährt hat und ob die­ses gege­be­nen­falls aus­zu­bau­en ist.

 

Mit freund­li­chen Grüßen

Mar­tin Hol­lands                                                                  Nadesch­da Wilkitzki