Umsetzung des Rechtssatzvorbehalts bei dienstlichen Beurteilungen in der Justiz Verordnungs- und Richtlinienentwürfe zu Beurteilung und Erprobung
Schreiben vom 24. August 2022 (2000 – Z. 525)
Sehr geehrter Herr Holtgrewe,
sehr geehrte Damen und Herren,
die Verwaltungsrichtervereinigung bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Zu den vorliegenden Entwürfen der Verordnungen und Richtlinien wird wie folgt Stellung genommen:
Eine Vielzahl der mit den Entwürfen vorgesehenen Änderungen ist im Grundsatz zu begrüßen. Mit diesen werden verschiedene, in der Stellungnahme des Verbands vom 25. Mai 2022 befürwortete oder geforderte Änderungen umgesetzt. Dies betrifft insbesondere den Übergang zu einem Punktesystem mit textlichen Beiträgen. Aus Sicht der Verwaltungsrichtervereinigung ist dies ein Schritt in die richtige Richtung.
Allerdings reichen die Änderungen nicht durchgehend weit genug. Der gesetzliche Auftrag zum Erlass einer Beurteilungs- und einer Erprobungsverordnung bis zum Jahresende bietet Anlass und Chance, das Beurteilungssystem – im Interesse der beurteilten Richterinnen und Richter – klarer und transparenter als bislang zu gestalten. Gleiches gilt für die Regelung der Erprobung. Diese Chance bleibt mit den vorgelegten Entwürfen jedenfalls teilweise ungenutzt. Hier sind weitere Änderungen angezeigt.
Die Stellungnahme beschränkt sich im Folgenden auf die aus Sicht der Verwaltungsrichtervereinigung wesentlichen Punkte:
1. Abkehr vom Grundsatz der Anlassbeurteilungen (zu § 1 Absatz 3, § 3 Absatz 1 BeurtVO JM‑E)
Der Entwurf der Beurteilungsverordnung hält an dem bestehenden Nebeneinander von Regelund Anlassbeurteilungen fest. Insbesondere ist wie bislang bei jeder Bewerbung auf ein Beförderungsamt eine Anlassbeurteilung zu erstellen (§ 3 Absatz 1 BeurtVO JM‑E). Dies ist zu kritisieren. Die in der Rechtsprechung zutreffend erhobenen grundsätzlichen Bedenken gegen die Anlassbeurteilung bei einer Bewerbung (BVerwG, Beschl. v. 02.07.2020, 2 A 6/19, juris Rn. 11) werden nicht aufgegriffen. Damit bleibt es bei einem System, das besonders anfällig dafür ist, dass in konkreten Bewerbungs- und Konkurrenzsituationen die Anlassbeurteilung „per Handsteuerung“ auf eine bereits vorgefasste Auswahlentscheidung zugeschnitten wird. Die Beurteilung verliert damit ihre die Auswahl steuernde Wirkung.
Der Verordnungsgeber kann und sollte daher die Chance nutzen, das bestehende System zu reformieren und den Bedenken der höchstrichterlichen Rechtsprechung stärker Rechnung zu tragen:
Von Anlassbeurteilungen bei Bewerbungen auf ein Beförderungsamt (§ 3 Absatz 1 BeurtVO JM‑E) sollte – abgesehen von den in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen – verzichtet werden. Grundlage einer Beförderungsentscheidung sollte regelmäßig nur die Regelbeurteilung sein. Als solche hat diese eine Aussage zur Eignung in dem bereits ausgeübten Statusamt und eine Eignungsprognose für die nächsthöheren Beförderungsämter
zu enthalten. Bei der Beurteilung einer Kollegin oder eines Kollegen im R 1‑Amt sollte die Regelbeurteilung also eine Eignungsprognose jedenfalls für die nächsthöheren Rechtsprechungsämter (insbesondere Vorsitzende/r Richter/in am Verwaltungsgericht und Richter/in am Oberverwaltungsgericht) enthalten. Die Einschätzung, dass eine Erweiterung der Regelbeurteilungen um Eignungsprognosen nicht leistbar wäre (vgl. Verordnungsbegründung zu § 3 Absatz 1 BeurtVO JM‑E), wird nicht geteilt. Dies dürfte jedenfalls dann nicht zutreffen, wenn die Eignungsprognose auf die nächsthöheren Rechtsprechungsämter beschränkt wird. Für Ämter mit Leitungsfunktionen (§ 5 Absatz 2 Satz 2 BeurtVO JM‑E) wäre gegebenenfalls denkbar, bei dem bisherigen System der Anlassbeurteilungen zu bleiben, damit nicht mit jeder Regelbeurteilung eine Eignungsprognose für herausgehobene Leitungsämter erstellt werden muss.
Soweit darüber hinaus in § 3 Absatz 2 BeurtVO JM‑E wie bislang Anlassbeurteilungen unabhängig von konkret anstehenden Beförderungs- und Auswahlentscheidungen vorgesehen sind, bestehen die oben genannten Bedenken nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Weise. Der nun vorgesehene Wegfall einer Anlassbeurteilung bei mehr als dreimonatiger Elternzeit (derzeit noch Ziffer III. 2. b) BeurtAV JM) erscheint vertretbar. Für Kolleginnen und Kollegen in Elternzeit sollte allerdings erwogen werden, die Möglichkeit zu eröffnen, eine Anlassbeurteilung bei einer mehr als drei Monate dauernden Abwesenheit – auf Antrag – zu erhalten. Auch wenn die Regelbeurteilung in der Elternzeit nicht entfällt (Ziffer 3.1 BeurtAV JM‑E) und eine Nachzeichnung erfolgt (§ 9 Absatz 1 i. V. m. § 51 Absatz 1 LVO), kann im Einzelfall – etwa bei einem absehbaren Wechsel des Beurteilenden – ein berechtigtes Interesse der Kolleginnen und Kollegen bestehen, den Leistungsstand vor der Elternzeit festzuhalten.
2. „Absenkung“ bzw. Absinken nach Beförderung (zu § 4 Absatz 2 BeurtVO JM‑E)
Durch § 4 Absatz 2 BeurtVO JM‑E (i. V. m. Ziffer 4.2 BeurtAV JM‑E) wird die rechtliche Grundlage für das – regelmäßige – Absenken nach einer Beförderung geschaffen. Dies wird im Grundsatz begrüßt, da hiermit einer Notenverdichtung entgegengewirkt wird. Die näheren Vorgaben hierfür sollten durch die BeurtAV JM, jedenfalls aber durch die Maßstabkonferenzen so konkret wie rechtlich möglich festgelegt werden. Als Regel sollte die Absenkung um eine ganze Notenstufe (drei Punkte) ins Auge gefasst werden (Grundsatz: Eine Besoldungsstufe entspricht einer Notenstufe). Die bislang teilweise praktizierte Absenkung um einen Punkt erscheint nicht ausreichend, um eine Notenverdichtung wirksam zu vermeiden. Für die nach bisherigem Recht beurteilten Kolleginnen und Kollegen erscheint bei einer durchgehenden Absenkung eine Überleitungsvorschrift erforderlich. Soweit in den Hinweisen zu Ziffer 4.2 BeurtVA JM‑E in der dortigen Musterformulierung eine Übergangsregelung vorgeschlagen wird, sollte geprüft werden, diese bereits in der BeurtVO JM‑E (in Teil 4) oder der BeurtAV JM‑E (in Ziffer 10) verbindlich vorzugeben.
3. Beurteilungsmerkmale: Klare Einteilung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (zu § 5 BeurtVO JM‑E)
Die Verwaltungsrichtervereinigung begrüßt, dass den Hauptmerkmalen der Beurteilung nun verbindliche und gerichtsbarkeitsübergreifende Untermerkmale zugeordnet werden (§ 5 Absatz 1 und 2 BeurtVO JM‑E). Dabei wäre es jedoch klar vorzugwürdig, als Hauptmerkmale unmittelbar an die gesetzliche Unterscheidung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung anzuknüpfen und nicht an die gewissermaßen „quer“ hierzu verlaufende Einteilung in bestimmte „Qualifikationen“. Insoweit ist auf die mit der Stellungnahme vom 25. Mai 2022 bereits geäußerten Bedenken nochmals hinzuweisen. Die vorgesehene Einteilung nach „Kompetenzen“ bzw. nun nach „Qualifikationen“ bildet das zentrale und besonders stark zu gewichtende Beurteilungskriterium der fachlichen Leistung (mit den Untermerkmalen Arbeitseinsatz, Arbeitserfolg, Arbeitsgüte) bereits sprachlich, aber teilweise auch in der Sache nicht hinreichend deutlich genug ab. Die derzeit vorgesehene Unterteilung der Hauptmerkmale (Qualifikationen) führt zudem auch bei der erforderlichen Gewichtung (§ 6 Absatz 1 Satz 3 BeurtVO JM‑E, vgl. unter 4.) zu weiteren Schwierigkeiten: Da sich die Erfassung der für die Beurteilung zentralen fachlichen Leistung über die vier Hauptmerkmale (Qualifikationen) in nicht immer klar erkennbarer Weise „verstreut“, erscheint eine spätere Gewichtung der Hauptmerkmale nur schwer umsetzbar. Die BeurtVO JM sollte daher anstelle der bisherigen Hauptmerkmale zwischen fachlicher Leistung, Befähigung und Eignung (als den vorgegebenen Hauptmerkmalen) unterscheiden und das Merkmal der Leistung angemessen stark gewichten.
4. Bewertung mit Zwischennoten (zu § 6 Absatz 1 Satz 1 und 2 BeurtVO JM‑E)
Die in § 6 Absatz 1 Satz 1 BeurtVO JM‑E vorgesehene Bewertung der Hauptmerkmale in textlicher Form und mit einer Zwischennote wird begrüßt. Für die Anwendung in der Praxis sollte allerdings das Verhältnis von Zwischennote und textlichem Beitrag noch klarer geregelt werden. Mit Blick auf die neue Regelung in Satz 1 sollte bei gleich bewerteten Bewerberinnen und Bewerbern für die weitere Ausschärfung künftig vorrangig auf die Zwischennoten abgestellt werden und – erst wenn diese Zwischennoten ebenfalls gleich sind – der textliche Beitrag herangezogen werden. Nach der Verordnungsbegründung sollen die Zwischenbewertungen (Zwischennoten) allerdings nur „zu einer besseren und transparenteren ‚Ausschärfbarkeit‘ der textlichen Beurteilung beitragen“ (Verordnungsbegründung zu § 6 Absatz 1 Satz 1 BeurtVO JM‑E). Dies erscheint unklar und vermittelt den Eindruck, dass die Zwischennoten gegenüber dem Textbeitrag nicht vorrangig sind. Dies dürfte mit der Regelung nicht beabsichtigt sein. Hier sollte im Normtext oder in der Verordnungsbegründung noch deutlicher vorgegeben werden, dass auf die Beurteilung im Textbeitrag erst bei gleichen Zwischennoten zurückgegriffen wird.
Der Entwurf sieht die Vergabe von Punktwerten nur für die Hauptmerkmale vor. Jedenfalls perspektivisch – ggf. schon im Rahmen der vorgesehenen Evaluierung nach drei Jahren – sollte geprüft werden, ob auch die Untermerkmale (Ziffer 5 BeurtAV JM‑E) künftig mit Punktwerten versehen werden und auch insoweit eine Gewichtung vorgegeben wird. Dies könnte im Interesse der beurteilten Richterinnen und Richter grundsätzlich die Transparenz der Beurteilung und einer etwaigen Auswahl weiter erhöhen. Hier sollten allerdings zunächst die Erfahrungen aus der Praxis und die Akzeptanz in der Richterschaft evaluiert werden.
5. Klare, einheitliche und transparente Maßstäbe für die Gewichtung (zu § 6 Absatz 1 Satz 3 BeurtVO JM‑E)
Nach § 6 Absatz 1 Satz 3 BeurtVO JM‑E ist für das Gesamturteil eine Gewichtung der vier Zwischenbewertungen vorzunehmen. Eine klare, einheitliche und transparente Gewichtung der Zwischenbewertungen ist insoweit für vergleichbare Beurteilungen unabdingbar. Ohne einheitliche Maßstäbe bliebe es der beurteilenden Person überlassen, wie die Merkmale gewichtet werden. Insbesondere bei einem heterogenen Leistungsbild in den vier Hauptmerkmalen kann es dabei zu erheblich abweichenden Gesamturteilen kommen. Die Entwürfe der Beurteilungsverordnung und ‑richtlinie sehen vor, dass bei der Gewichtung einheitliche Maßstäbe an- und diese durch Maßstabkonferenzen festzulegen sind (Ziffer 5.5 BeurtAV JM‑E). Dies ist zwar im Grundsatz zu befürworten. Die Gewichtung der durch die BeurtVO JM und BeurtAV JM verbindlich definierten Hauptmerkmale dürfte sich jedoch mit Blick auf das jeweilige Statusamt bereits abstrakt und damit unmittelbar in der BeurtAV JM oder der BeurtVO JM vorgeben lassen. Um eine einheitliche (und auch gerichtsbarkeitsübergreifende) Gewichtung zu gewährleisten, sollte diese daher in der BeurtAV JM oder der BeurtVO JM vorgegeben werden. Dies könnte dadurch geschehen, dass für jedes Hauptmerkmal ein Gewichtungsfaktor vorgegeben wird. Dabei dürfte es erforderlich sein, für die Gewichtungsfaktoren zwischen den verschiedenen rechtsprechenden Ämtern und insbesondere den Ämtern mit Leitungsfunktionen (insbes. § 5 Absatz 2 BeurtVO JM‑E) zu unterscheiden.
6. Anforderungsprofile und Ausformungen (zu § 8 BeurtVO JM‑E, Anlage zu Ziffer 6 BeurtAV JM‑E)
Mit den Entwürfen wird an den Anforderungsprofilen im Grundsatz festgehalten. Zu begrüßen ist, dass für das Eingangsamt (R 1) nun ein einheitliches Anforderungsprofil vorgesehen wird. Dies ist im Sinne einer besseren, auch gerichtsbarkeitsübergreifenden Vergleichbarkeit zu befürworten. Es ist allerdings nicht klar ersichtlich, warum für die Beförderungsämter nicht ebenfalls einheitliche Anforderungsprofile vorgesehen werden. Jedenfalls für die Beförderungsämter der rechtsprechenden Tätigkeit (Vorsitzende/r Richter/in der Eingangsinstanz; Richter/in an einem Obergericht; Vorsitzende/r Richter/in an einem Obergericht) dürfte eine Vereinheitlichung ebenfalls sinnvoll und möglich sein.
Soweit in den Anforderungsprofilen den Untermerkmalen unverbindliche Ausformungen als Klammerzusätze hinzugefügt werden (§ 5 Absatz 3 BeurtVO JM‑E; Ziffer 5.3 BeurtAV JM‑E) sollten diese jedenfalls perspektivisch als Konkretisierungen der Untermerkmale gefasst und in der BeurtAV JM festgelegt werden. In der Sache dürfte es sich bei den Ausformungen letztlich um weitere (regelbeispielhafte) Detailkriterien handeln.
Zu bedauern ist in diesem Zusammenhang, dass das Engagement von Richterinnen und Richtern in Richtervertretungen und ggf. auch die Tätigkeit in den Berufsverbänden in den Untermerkmalen oder den Ausformungen nicht ausdrücklich erwähnt wird. Insbesondere die Nominierung für und die Tätigkeit in den Richtervertretungen können und sollten als Teil der sozialen Qualifikation (sowohl der Team- wie auch der Kommunikationsfähigkeit) zu berücksichtigen sein. Dies sollte in den Ausformungen ausdrücklich erwähnt werden.
Soweit für Ämter mit Leitungsfunktionen (Teil 1, Abschnitt D.5) das Untermerkmal „interkulturelle Kompetenz und Diversitätskompetenz“ eingeführt wird, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die geforderte interkulturelle Kompetenz nicht auf Leitungsämter beschränkt sein dürfte, sondern gerade auch in Rechtsprechungsämtern und dort sogar in besonderem Maße (z. B. bei Verfahren im Aufenthalts- und Asylrecht) relevant ist. Dem wird durch die Ausformungen des Basisprofils (Eingangsamt) unter II. 1. zwar Rechnung getragen. Es dürfte sich aber anbieten, den Begriff der „interkulturellen Kompetenz“ jeweils in beiden Fällen (bei Leitungs- und Rechtsprechungsämtern) zu verwenden. Zu dem daneben neu aufgenommenen Kriterium der Diversitätskompetenz für Leitungsfunktionen sollte in geeigneter Weise klargestellt werden, dass das in den Ausformungen genannte „diversitätsbewusste“ und „kultursensible“ Verhalten das alltägliche Führungs- und Leitungsverhalten anspricht. Die Personalauswahl, die einen wesentlichen Teil der Leitungstätigkeit darstellt, hat dagegen selbstverständlich alleine nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu erfolgen (Artikel 33 Absatz 2 GG).
7. Beurteilungsformular (Anlage zur BeurtAV JM‑E)
Im Interesse einer inhaltlich und formal einheitlichen Beurteilungsweise wird die vorgesehene Verwendung eines Beurteilungsformulars unterstützt. Da die verhaltenssteuernde Wirkung eines solchen Formulars nicht zu unterschätzen ist, sollte dieses alle verbindlichen Beurteilungsmerkmale (Haupt- und Untermerkmale) ausweisen. In redaktioneller Hinsicht wird insoweit darauf hingewiesen, dass sich die Untermerkmale nach Ziffer 5 BeurtAV JM‑E und die Aufzählung im Beurteilungsformular noch nicht vollständig decken (z. B. nur Nennung der „Ausbildungskompetenz“ und nicht der „Ausbildungs- und Prüfungskompetenz“). Dies dürfte noch anzupassen sein.
8. Berechnung der Bewährungs- und Verwendungszeiten bei Teilzeit und Freistellung (zu § 8 Absatz 3 Satz 2 BeurtVO JM‑E und § 5 Satz 4 ErprobVO JM‑E)
Die Entwürfe sehen für die Berechnung etwaiger Bewährungs- und Verwendungszeiten bis zu einer Teilzeitbeschäftigung von mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit die volle Anrechnung vor. Beträgt die Teilzeit weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit, findet nur eine anteilige Berücksichtigung statt. Für Freistellungen insbesondere bei Tätigkeiten in Richtervertretungen oder der Justizverwaltung soll dies entsprechend gelten. Die praktische Relevanz der Vorschrift kann aus Verbandssicht derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Es dürfte allerdings – neben rechtlichen Fragen der Gleichbehandlung – zu berücksichtigen sein, dass die Anrechnungsregelung bei hiervon erfassten Richterinnen und Richtern in Teilzeit zu einem nicht wünschenswerten Rückgang des Interesses an Ämtern in den Richtervertretungen oder der Justizverwaltung führen kann. Die Regelung sollte daher nochmals daraufhin geprüft werden, dass mit dieser keine Fehlanreize gesetzt werden.
9. Maßstabkonferenzen (Ziffer 4.1 BeurtAV JM‑E)
Der Entwurf sieht die Einführung von Maßstabkonferenzen zur weiteren Vereinheitlichung der Bewertungsmaßstäbe vor. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Ob damit die erwünschte Vereinheitlichung gelingt, wird in der Praxis zu beobachten sein. Wie oben ausgeführt, sollte jedenfalls die abstrakte Gewichtung der Hauptmerkmale aber bereits in der BeurtAV JM‑E bzw. der BeurtVO JM‑E bestimmt werden.
Darüber hinaus ist eine umfassende Beteiligung der Richtervertretungen zu gewährleisten. Dementsprechend sollte in Ziffer 4.1 BeurtAV JM‑E die Hinzuziehung eines Mitglieds der Richtervertretung nicht nur fakultativ, sondern stets obligatorisch sein.
10. Durchführung der Erprobung (zur ErprobVO JM‑E und ErprobAV JM‑E insgesamt)
Die ErprobVO JM‑E und ErprobAV JM‑E sehen bislang keine strukturellen bzw. grundlegenden Änderungen des bestehenden Erprobungssystems vor. Hier hätte der gesetzlich geforderte Erlass der ErprobVO JM‑E die Chance geboten, auch grundsätzliche Änderungen zu diskutieren und umzusetzen. Dies betrifft aus Sicht der Verwaltungsrichtervereinigung weniger das Erprobungserfordernis als solches, sondern vor allem die Stellung der Erprobungsrichterinnen und ‑richter. Die Verwaltungsrichtervereinigung begrüßt daher insbesondere den Vorschlag des Hauptrichterrates der Verwaltungsgerichtsbarkeit, einen formal näher ausgestalteten und geschützten Rahmen für ein Feedback der Erprobten zu schaffen. Das Drei-Monats-Gespräch nach Ziffer 4.1 ErprobAV JM‑E erscheint hierfür wenig geeignet. Erwägenswert ist auch eine ausdrückliche Klarstellung, dass den Erprobungsrichterinnen und ‑richtern ein nach Bestand und Struktur durchschnittliches Dezernat zur Bearbeitung zugewiesen wird. Soweit solche und andere Änderungen angesichts des engen Zeitrahmens nicht mehr umgesetzt werden können, sollte bei der anstehenden Evaluierung und weiteren Diskussion ein besonderes Augenmerk auf Anpassungen im Erprobungssystem gelegt werden.
11. Erprobungsstellen und Erprobungsdauer (zu §§ 3, 4 ErprobVO JM‑E, Ziffer 1 ErprobAV JM‑E)
Die Bestimmung der Erprobungsstellen und des Erprobungszeitraums erscheint grundsätzlich sachgerecht. Die nun auch in der Verordnung vorgesehene Möglichkeit der Erprobung in Teilzeit (jetzt § 4 Absatz 2 ErprobVO JM‑E) wird ausdrücklich unterstützt. Nicht erforderlich erscheint dagegen die rechtliche Vorgabe einer Gesamtabordnungsdauer von drei Jahren bei Erprobungen außerhalb der Rechtsprechung des Landes (derzeit Ziffer 1.3 ErprobAV JM‑E). Die Erprobungsverordnung und ‑richtlinie sollten insoweit alleine die Erprobungsdauer (zwei Jahre) bestimmen, aber keine Soll-Maßgaben für die Gesamtabordnungsdauer enthalten.
12. Beurteilungsverfahren (zu Ziffer 8 BeurtAV JM‑E)
Hinsichtlich des Beurteilungsverfahrens wird nunmehr in der BeurtAV JM‑E weitgehend auf § 14 Absatz 3 und 4 LRiStaG verwiesen. Insoweit wird nochmals auf die Stellungnahme der Vereinigung vom 25. Mai 2022 hingewiesen. Im Interesse der Richterinnen und Richter und für eine bessere Akzeptanz der Beurteilungen dürfte es sinnvoll sein, die Möglichkeit einzuräumen, frühzeitig auf Wunsch der Richterinnen und Richter ein orientierendes Beurteilungsgespräch zu führen. Dies sollte als Möglichkeit in der BeurtAV JM‑E bzw. der BeurtVO JM‑E ausdrücklich normiert werden.
13. Zeitnahe Evaluierung (zu § 12 BeurtVO JM‑E, § 7 ErprobVO JM‑E)
Zu begrüßen ist, dass eine zeitnahe Evaluierung der BeurtVO JM und ErprobVO JM vorgesehen ist. Es sollte insbesondere evaluiert werden, ob die mit den Regelungen angestrebte größere Transparenz und Vereinheitlichung erreicht worden ist. Auch sollte mit der Evaluierung geprüft werden, ob und wie sich das System einer Punktebewertung bewährt hat und ob dieses gegebenenfalls auszubauen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Hollands Nadeschda Wilkitzki