Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2023 (Haushaltsgesetz 2023) – Personaletat 2023

Stellungnahme zur Anhörung im Unterausschuss Personal am 15. November 2022


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Sehr geehr­te Damen und Herren,

die Ver­wal­tungs­rich­ter­ver­ei­ni­gung NRW bedankt sich für die Gele­gen­heit zur Stellungnahme.
Zum Haus­halts­ge­setz 2023 und Per­so­nal­etat 2023 neh­men wir wie folgt Stellung:

I.

Zum Per­so­nal­etat 2023 für die Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit wird auf Fol­gen­des hingewiesen:

1. Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben und Ausbau der Erneuerbaren Energien

Die Lan­des­re­gie­rung ver­folgt das Ziel einer „Aus­bau­of­fen­si­ve“ im Bereich der Erneu­er­ba­ren Ener­gien. Hier­zu sol­len Pla­nungs- und Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren deut­lich beschleu­nigt wer­den. Dies betrifft vor allem die behörd­li­chen Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren, soll aber auch für die gericht­li­chen Ver­fah­ren gelten.

Zum Zweck der Ver­fah­rens­be­schleu­ni­gung hat der Gesetz­ge­ber die (erst­in­stanz­li­chen) Zustän­dig­kei­ten des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Nord­rhein-West­fa­len in meh­re­ren Schrit­ten stark aus­ge­wei­tet. Unter ande­rem sind dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Strei­tig­kei­ten zur Pla­nung bzw. Geneh­mi­gung von Wind­ener­gie­an­la­gen in ers­ter Instanz zuge­wie­sen wor­den. Dies führt ins­ge­samt zu einer deut­li­chen Belas­tung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts mit umfang­rei­chen und kom­ple­xen Pla­nungs- und Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren. Allein zur Geneh­mi­gung von Wind­ener­gie­an­la­gen sind der­zeit rund 120 Kla­gen beim Ober­ver­wal­tungs­ge­richt anhängig.

Zudem plant der Bund mit dem vor­ge­se­he­nen Gesetz zur Beschleu­ni­gung von ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren im Infra­struk­tur­be­reich wei­te­re Vor­ga­ben für das gericht­li­che Ver­fah­ren. So soll das Gericht bei Ver­fah­ren im Infra­struk­tur­be­reich spä­tes­tens zwei Mona­te nach Ein­gang der Kla­ge­er­wi­de­rung einen Erör­te­rungs­ter­min durch­füh­ren. Die vor­ge­se­he­nen Ände­run­gen sind mit der Erwar­tung des Gesetz­ge­bers ver­bun­den, dass auch die gericht­li­chen Ver­fah­ren im Infra­struk­tur­be­reich noch­mals deut­lich beschleu­nigt wer­den kön­nen. Die­se Erwar­tung ist auf­grund der schon jetzt bestehen­den Belas­tung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts ohne eine per­so­nel­le Ver­stär­kung des Gerichts von vorn­her­ein nicht realistisch.

Die ange­kün­dig­te „Aus­bau­of­fen­si­ve“ der Lan­des­re­gie­rung und die beab­sich­tig­te Pla­nungs­be­schleu­ni­gung las­sen sich für den Bereich der Gerich­te nicht allei­ne durch Ände­run­gen des Pro­zess­rechts errei­chen. Viel­mehr ist das schon jetzt belas­te­te Ober­ver­wal­tungs­ge­richt per­so­nell zu stär­ken. Pla­nungs­be­schleu­ni­gung ist ohne per­so­nel­le Stär­kung nicht zu errei­chen. Für das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt sind des­halb wei­te­re Stel­len für zusätz­li­che Pla­nungs­se­na­te im Haus­halt vorzusehen.

2. Schnelle Bearbeitung der Asylverfahren

Im Bereich des Asyl­rechts ist die Belas­tung der Ver­wal­tungs­ge­rich­te wei­ter hoch und wird wei­ter zuneh­men. Das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge hat mit Stand Sep­tem­ber 2022 eine Zunah­me der Erst­an­trä­ge um rund 35 Pro­zent im Ver­gleich zum Vor­jah­res­zeit­raum ver­zeich­net (https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-september-2022.pdf). Die­se pro­zen­tua­le Erhö­hung der Anträ­ge bzw. Ein­gän­ge wird sich erfah­rungs­ge­mäß auch bei den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten einstellen.

Es ist daher damit zu rech­nen, dass die Ver­wal­tungs­ge­rich­te im Asyl­recht wie­der deut­lich stei­gen­de Ein­gangs­zah­len ver­zeich­nen wer­den. Dies ist bei der per­so­nel­len Aus­stat­tung der Ver­wal­tungs­ge­rich­te im Blick zu behal­ten. Ins­be­son­de­re soll­te per­spek­ti­visch schon jetzt eine Ver­län­ge­rung der kw-Ver­mer­ke ins Auge gefasst werden.

II.

Über den Per­so­nal­haus­halt 2023 hin­aus wird der Haus­halts­ge­setz­ge­ber auch auf die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung zeit­nah reagie­ren müs­sen. Die andau­ernd hohe Infla­ti­on führt zu star­ken rea­len Kauf­kraft­ver­lus­ten. Bezo­gen auf Nord­rhein-West­fa­len betrug die Infla­ti­ons­ra­te im Sep­tem­ber 10,1 Pro­zent und im Okto­ber sogar 11 Pro­zent (vgl. https://www.it.nrw/nrw-inflationsrate-liegt-im-oktober-2022-bei-110-prozent-109357). Der letzt­jäh­ri­ge Tarif­ab­schluss im öffent­li­chen Dienst mit einer Erhö­hung von 2,8 Pro­zent zum 1. Dezem­ber 2022 kann die­se Kauf­kraft­ver­lus­te nicht annä­hernd ausgleichen.

Geschäfts­grund­la­ge für den sehr zurück­hal­ten­den Tarif­ab­schluss im Jahr 2021 und die anschlie­ßen­de Über­tra­gung auf die Beam­tin­nen und Beam­ten sowie die Rich­te­rin­nen und Rich­ter war die anfäng­li­che Erwar­tung, dass die stei­gen­de Infla­ti­on ein kurz­fris­ti­ges Phä­no­men blei­ben wür­de. Dies hat sich nicht bestä­tigt. Aus Sicht der Ver­wal­tungs­rich­ter­ver­ei­ni­gung NRW besteht Hand­lungs­be­darf. Der Haus­halts­ge­setz­ge­ber ist – bereits aus ver­fas­sungs­recht­li­chen Grün­den – auf­ge­ru­fen, auf die star­ken Kauf­kraft­ver­lus­te zu reagie­ren und die Besol­dung der Beam­tin­nen und Beam­ten und der Rich­te­rin­nen und Rich­ter zeit­nah ange­mes­sen anzupassen.

Mit freund­li­chen Grüßen

Mar­tin Hol­lands                                                                  Nadesch­da Wilkitzki