Eckpunkte für eine Reform der Besetzungsverfahren für Spitzenämter in der Justiz Nordrhein-Westfalens

Verbändeanhörung


Zur pdf-Ver­si­on


Sehr geehr­te Damen und Herren,

die Ver­wal­tungs­rich­ter­ver­ei­ni­gung NRW bedankt sich für die Gele­gen­heit zur Stellungnahme.

Wir begrü­ßen aus­drück­lich die hin­ter dem Papier ste­hen­de Ziel­set­zung, durch Erhö­hung der Trans­pa­renz der Beset­zungs­ver­fah­ren das Ver­trau­en der Öffent­lich­keit – aber auch der Ange­hö­ri­gen der Jus­tiz – in die Jus­tiz zu stär­ken. Grund­sätz­lich soll­te bei der Nor­mie­rung ein­zel­ner Anfor­de­run­gen bedacht wer­den, dass es sich – ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund der sehr aus­dif­fe­ren­zier­ten Recht­spre­chung – nur um punk­tu­el­le Aspek­te han­delt, die in dem ver­fas­sungs­recht­lich gepräg­ten Rechts­ge­biet nur bedingt zu Rechts­klar­heit füh­ren kön­nen. Zu den ein­zel­nen Punk­ten des Eck­punk­te­pa­piers neh­men wir wie folgt Stellung:

1. Anforderungsprofile für Spitzenämter

Für das Amt der Prä­si­den­tin oder des Prä­si­den­ten des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, des­sen Beset­zung Anlass für das Eck­punk­te­pa­pier gege­ben hat, exis­tiert bereits ein aus­dif­fe­ren­zier­tes Anfor­de­rungs­pro­fil in der Anla­ge zur Beur­tei­lungs-AV vom 15. Dezem­ber 2022, JMBl. NRW S. 53. Wich­tig erscheint in die­sem Zusam­men­hang der bereits in die­ser Anla­ge zur Beur­tei­lungs-AV nor­mier­te Gesichts­punkt der Bewäh­rung in einem Beför­de­rungs­amt der Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit. Es wäre zu erwä­gen, ins­ge­samt zu for­dern, dass der Bewer­ber oder die Bewer­be­rin die im Per­so­nal­ent­wick­lungs­kon­zept der nord­rhein-west­fä­li­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit unter Nr. 2.2.1.4.2 an die Beför­de­rung zum Vor­sit­zen­den Rich­ter bzw. zur Vor­sit­zen­den Rich­te­rin am Ober­ver­wal­tungs­ge­richt gestell­ten Anfor­de­run­gen erfüllt. Dies erscheint vor dem Hin­ter­grund ange­zeigt, dass der Prä­si­dent bzw. die Prä­si­den­tin des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts neben den gro­ßen Raum ein­neh­men­den Ver­wal­tungs­tä­tig­kei­ten auch einen Senat zu lei­ten hat.

2. Anforderung der Beurteilung

Eine Rege­lung zu unver­züg­lich nach Ablauf der Bewer­bungs­frist zu ver­an­las­sen­den Beur­tei­lun­gen stellt wohl die Nor­mie­rung einer Selbst­ver­ständ­lich­keit dar. Vor dem Hin­ter­grund der bis­he­ri­gen Erfah­run­gen ist aber eine aus­drück­li­che Rege­lung zu begrü­ßen. Die glei­che Beschleu­ni­gung soll­te aller­dings auch dem wei­te­ren Ver­fah­ren zukom­men, ins­be­son­de­re dem Zeit­raum bis zum Beset­zungs­vor­schlag, der in dem Anlass geben­den Ver­fah­ren wesent­li­cher Fak­tor der Ver­zö­ge­rung gewe­sen sein dürf­te. Inso­weit erscheint die Nor­mie­rung einer Frist sinnvoll.

3. Überbeurteilungen durch das Ministerium und Vermeidung von Beurteilungslücken

Die Vor­schlä­ge beru­hen auf der Recht­spre­chung der Ver­wal­tungs­ge­rich­te Müns­ter (Beschluss vom 28. Sep­tem­ber 2023 – 5 L 583/23 – juris, Rn. 118 ff., 142 ff.) und Düs­sel­dorf (Beschluss vom 17. Okto­ber 2023 – 13 L 1593/23 –, juris, Rn. 14 ff., 80) sowie nach­fol­gend des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nord­rhein-West­fa­len (Beschluss vom 29. Febru­ar 2024 – 1 B 1082/23 –, juris, Rn. 36 ff.). Die aus­drück­li­che Fest­schrei­bung begeg­net kei­nen Bedenken.

4. Dokumentation von Bewerbergesprächen

Die Doku­men­ta­ti­ons­pflicht bezüg­lich infor­mel­ler Gesprä­che im Vor­feld der Beset­zungs­ent­schei­dung – hin­sicht­lich derer vor dem Hin­ter­grund der Pflicht des Dienst­herrn zur chan­cen­glei­chen Behand­lung aller Bewer­be­rin­nen und Bewer­ber Zurück­hal­tung gebo­ten erscheint – ent­spricht der Ziel­set­zung der Errei­chung höhe­rer Trans­pa­renz und ist zu befürworten.

5. Erweiterung der Mitbestimmung bei der Auswahlentscheidung

Die erwei­ter­te Betei­li­gung der Mit­be­stim­mungs­gre­mi­en im Vor­feld der Aus­wahl­ent­schei­dung sowie nach Erstel­lung des Beset­zungs­vor­schlags sind eben­falls aus­drück­lich zu begrü­ßen. Die Infor­ma­ti­on der Gre­mi­en über vor­lie­gen­de Bewer­bun­gen sowie die Beur­tei­lun­gen und die Vor­ver­la­ge­rung der Betei­li­gung ver­set­zen die Gre­mi­en in die Lage, ihre Rech­te auf fun­dier­ter Grund­la­ge effek­tiv aus­zu­üben. Pro­ble­ma­tisch erscheint aller­dings der Vor­schlag zur „Ermun­te­rung“ wei­te­rer Bewer­be­rin­nen und Bewer­ber. Für eine der­ar­ti­ge „Ermun­te­rung“ besteht aus hie­si­ger Sicht bei zügi­ger Durch­füh­rung des Beset­zungs­ver­fah­rens kein Bedarf, weil sie im Vor­feld der Bewer­bun­gen gesche­hen kann und auf­grund des erheb­li­chen sonst bestehen­den Ver­zö­ge­rungs­po­ten­ti­als auch soll­te. Sie steht außer­dem im Kon­flikt mit der Pflicht des Dienst­herrn zur chan­cen­glei­chen Behand­lung aller Bewer­be­rin­nen und Bewer­ber und liegt nicht im Inter­es­se des ver­folg­ten Ziels der Errei­chung erhöh­ter Trans­pa­renz. Liegt eine Bewer­bung wenigs­tens eines geeig­ne­ten Kan­di­da­ten bzw. einer geeig­ne­ten Kan­di­da­tin vor, stößt die „Ermun­te­rung“ wei­te­rer Bewer­be­rin­nen und Bewer­ber viel­mehr auf Unverständnis.

6. Abbruch von Besetzungsverfahren

Die Nor­mie­rung von Vor­aus­set­zun­gen zum Abbruch des Beset­zungs­ver­fah­rens erscheint vor dem Hin­ter­grund der bestehen­den Unklar­hei­ten grund­sätz­lich sinn­voll. Eine Bewer­tung kann aller­dings erst bei Vor­lie­gen eines kon­kre­ten Vor­schlags erfolgen.

 

Mit freund­li­chen Grüßen

Nadesch­da Wilkitzki