Stellungnahme der Vereinigung zur 7. Änderung der Beamten- und Disziplinarzuständigkeitsverordnung JM (ZustVO JM)


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Sehr geehrte Damen und Herren,

für die Gelegenheit zur Stellungnahme bedanken wir uns. Zu den beabsichtigten Änderungen nimmt die Verwaltungsrichtervereinigung NRW wie folgt Stellung:

Mit der beabsichtigten Änderung der Beamten- und Disziplinarzuständigkeitsverordnung JM (ZustVO JM) wird die bislang vollständig auf die Unter- und Mittelbehörden delegierte Beurteilungsbefugnis (§ 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 10 ZustVO JM) teilweise auf das Ministerium der Justiz (zurück-)übertragen. Die vorgesehene Überbeurteilungsbefugnis des Ministeriums der Justiz soll für die „kabinettpflichtigen“ Ämter (Besoldungsgruppe R 3 bzw. B 3 und höher) gelten, bei denen die Ernennung der Richterinnen und Richter - entsprechend der verfassungsrechtlichen Grundregel in Art. 58 LV NRW - durch die Landesregierung selbst erfolgt, diese also nicht auf das jeweilige Ministerium oder noch weitergehend auf die Mittelbehörde delegiert ist.

Unabhängig von der grundsätzlichen Bewertung der beabsichtigten Änderung (dazu unter II.) ist vorab auf folgende Punkte hinzuweisen, die der Klarstellung oder Ergänzung bedürfen:

Die „zurückgeholte“ Befugnis umfasst nach dem Entwurf nur die Über- und nicht die Erstbeurteilung. Der Zusatz in § 7 Abs. 2 Nr. 3 ZustVO JM-E, wonach die Überbeurteilung „auch in den Fällen des § 6 Absatz 1 Nummer 10“ vorbehalten bleibt, dürfte dahin zu verstehen sein, dass die Überbeurteilungsbefugnis der Mittelbehörden durchgehend bestehen bleibt, die Befugnis des Ministeriums also nur hierauf aufsetzt. Dies wird auch in der Verordnungsbegründung ausgeführt, sollte aber im Normtext oder der Begründung noch deutlicher herausgestellt werden, etwa durch folgende Formulierung: „Die Befugnis zur Überbeurteilung nach § 6 Absatz 1 Nummer 10 bleibt unberührt.“

In diesem Zusammenhang dürfte dem Verordnungsentwurf auch nicht ausdrücklich zu entnehmen sein, ob das nach dem Wortlaut lediglich „vorbehaltene“ (§ 7 Abs. 2 ZustVO) Recht zur Überbeurteilung stets (routinemäßig) wahrgenommen werden soll (sei es auch nur durch einen kurzen Randvermerk) oder ob die Befugnis nur bei besonderem Anlass (Notwendigkeit einer Maßstabs- oder Einzelkorrektur) ausgeübt wird. Auch insoweit wäre eine Klarstellung im Verordnungstext oder der Verordnungsbegründung zu erwägen.

Die Zielrichtung der Regelung wird in der Verordnungsbegründung nur sehr knapp erläutert: Danach dient die Überbeurteilung der „Wahrung landeseinheitlicher Beurteilungsmaßstäbe“. Über das Ziel der Maßstabsvereinheitlichung geht der Normtext allerdings hinaus. Nach der vorgesehenen Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 ZustVO JM-E sind nicht nur Maßstabskorrekturen, sondern - soweit eigene Erkenntnisse vorliegen - auch Einzelkorrekturen zulässig und jedenfalls für Ausnahmefälle wohl auch beabsichtigt. Ziel und Reichweite der beabsichtigten Änderung müssen in dem Verordnungsentwurf daher klarer zum Ausdruck kommen.

II.

Die beabsichtigte Regelung begegnet insbesondere aus Sicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit in verschiedener Hinsicht Bedenken:

1. Das Ziel landeseinheitlicher Bewertungsmaßstäbe und eine damit verbundene Maßstabskorrektur sind zwar grundsätzlich nachvollziehbar. Es erscheint jedoch fraglich, ob dies eine generelle „Hochzonung“ der Überbeurteilungsbefugnis auf die Ebene des Ministeriums rechtfertigt. Hierfür wird für die Verwaltungsgerichtsbarkeit kein Bedarf gesehen. Innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit kann die Verein- heitlichung der Bewertungsmaßstäbe regelmäßig durch die Überbeurteilung der Mittelbehörde (§ 6 Abs. 1 Nr. 10 ZustVO JM) sichergestellt werden. Das verschiedentlich geschilderte Problem unterschiedlicher Notenvergabe in den ver- schiedenen OLG-Bezirken beschränkt sich auf die ordentliche Gerichtsbarkeit und ggf. auf andere Gerichtsbarkeiten mit mehreren Mittelbehörden oder ohne vereinheitlichende Mittelbehörde. Gleiches dürfte für ein etwaiges Bewertungsgefälle zwischen Staatsanwaltschaften und Gerichtsbarkeit gelten. Auch hier dürfte jedenfalls in der Praxis nur die ordentliche Gerichtsbarkeit betroffen sein. Das Zusammentreffen von Bewerbern aus der Staatsanwaltschaft einerseits mit Bewerbern aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder anderen Fachgerichtsbarkeiten andererseits dürfte allenfalls eine seltene Ausnahme darstellen. Ob diese eine generelle Ausweitung der Überbeurteilungskompetenz auf das Ministerium rechtfertigt, erscheint fraglich. Hier sollten niedrigschwellige Möglichkeiten zur Vereinheitlichung der Bewertungsmaßstäbe erwogen werden. Die formale Überbeurteilungskompetenz des Ministeriums zur Maßstabskorrektur sollte auf jene Fälle beschränkt werden, in denen die Überbeurteilungskompetenz nach § 6 Abs. 1 Nr. 10 ZustVO JM durch mehrere Stellen im Sinne von § 2 ZustVO JM wahrgenommen wird (§ 2 Nr. 2, 4, 5 und 6 ZustVO JM) und deshalb eine Vereinheitlichung der Bewertungsmaßstäbe insoweit noch nicht vollständig gewährleistet ist.

 

2. Bedenken bestehen auch gegen die Möglichkeit zur Einzelkorrektur von Beurteilungen.

Die vorgesehene Überbeurteilung greift im praktisch relevanten Bereich der Anlassbeurteilung bei jeder Bewerbung auf ein Amt mit der Besoldungsgruppe R 3 oder höher. Dies hat zur Folge, dass alle Richterinnern und Richter im Fall der Bewerbung auf einen Senatsvorsitz bei der Anlassbeurteilung erfasst sind. Weiter sind alle Regelbeurteilungen der Senatsvorsitzenden Gegenstand der vorgesehenen Überbeurteilungen. Dies erscheint zu weitreichend. Der Korrektur einzelner Beurteilungen durch die Überbeurteilungen sind zwar Grenzen gesetzt (Korrektur nur auf Grundlage eigener Erkenntnisse). In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich zu begrüßen, dass die ministerielle Überbeurteilung nach der vorgesehenen Regelung nicht die Überbeurteilung der Mittelbehörde ersetzen soll, sondern nur neben diese tritt. Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass mit der beabsichtigten Änderung die

Anfälligkeit der Justiz für politisch missbräuchliche Beeinflussung der Rechtsprechung durch die Steuerung der Personalentwicklung erhöht wird und jedenfalls der Anschein politischer Einflussnahme entstehen kann. Dies gilt insbesondere für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die behördliche Entscheidungen zu überprüfen hat. Dass eine solche politische bzw. justizfremde Beeinflussung der Rechtsprechung von den derzeitigen Akteuren mit der Verordnungsänderung nicht beabsichtigt ist, dürfte dabei nicht den Ausschlag geben. Mit der Änderung würde in Zukunft eine zusätzliche, institutionelle Sicherung entfallen. Die vorgesehene Überbeurteilung des Ministeriums mag zwar auf Ämter abzielen, die mit der Gerichts- bzw. Behördenleitung verbunden sind, also einen wesentlichen Verwaltungsanteil enthalten. Allerdings sind auch diese Ämter regelmäßig mit einem Rechtsprechungsanteil verbunden. Unabhängig davon kommt eine Beschränkung auf Ämter der Gerichtsleitung weder im Verordnungstext noch in der Verordnungsbegründung zum Ausdruck. Für den Bereich der Rechtsprechungsämter ohne strukturellen Verwaltungsanteil sollte daher die Befugnis zur Einzelkorrektur ausgeschlossen werden. Es ist in geeigneter Weise sicher zu stellen, dass eine Einzelkorrektur der Anlassund Regelbeurteilungen durch das Ministerium in diesem Bereich nicht erfolgt.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die derzeit vorgesehene Grenze der „kabinettpflichtigen“ Ämter einen „klarer Schnitt“ ermöglicht, aber keineswegs systematisch zwingend ist oder anderen Differenzierungen vorzuziehen wäre. Mit dem Entwurf sollen das (nicht delegierte) Ernennungsrecht der Landesregierung (Art. 58 LV NRW) (ab Besoldungsgruppen R 3 bzw. B 3) mit der Überbeurteilungsbefugnis des Ministeriums in Gleichklang gebracht werden. Allerdings besitzt das Ministerium der Justiz auch unterhalb dieser Ebene eine nicht auf die Mittelbehörden delegierte Befugnis zur Ernennungen für Richterinnen und Richter der Besoldungsgruppe R 2, obwohl für diesen Bereich - zu Recht - eine Überbeurteilung (Regelbeurteilung oder Anlassbeurteilung für die Bewerbung auf ein R 2-Amt) weiter ausgeschlossen bleiben soll. Auch mit der vorgeschlagenen Regelung würden somit Ernennungs- und Überbeurteilungsbefugnis des Ministeriums weiter auseinanderfallen.

III.

Angesichts der aufgeworfenen Fragen bzw. Bedenken würde es die Vereinigung begrüßen, wenn das Ministerium der Justiz noch einmal in einen Austausch mit den Verbänden über die beabsichtigte Regelung wie auch notwendige oder sinnvolle Beschränkungen eintreten würde.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Hollands

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